Er war einer der deutsche Stararchitekten des 20. Jahrhunderts: Ernst May konzipierte u. a. das Neue Frankfurt, Neu-Altona in Hamburg, die Neue Vahr in Bremen und Siedlungen in der Sowjetunion. Aus europäischer Sicht schuf er soziale Architektur, inspiriert von dem Modell der Gartenstadt. Doch er verwirklichte seine Visionen im Auftrag der britischen Verwaltung auch in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Genau dort wuchs Robert Ssempijja auf, und der Blick des aufstrebenden Choreografen auf May ist verheerend. Der zwischen Europa und Afrika lebende Künstler tanzt in der Performance ALIENATIONIII das Lebensgefühl einer urbanistisch kolonisierten Bevölkerung, da für ihn zur Architektur auch gehört „wie wir uns um die Gebäude herum verhalten.“ Noch heute empfindet man in Uganda Mays Schema eines ringförmigen neuen Kampalas wie eine Art Festung und Fremdkörper gleichermaßen: Während die Einheimischen vor den Toren umkehren müssen, amüsieren sich drinnen die kolonialen Herrschaften und wandeln auf Straßen, die sie nach ihren eigenen Heldengestalten benannt haben. So fühlt sich der in Deutschland mit einem Pina Bausch Stipendium bedachte Choreograf und Researcher auch in den aktuellen Zeiten der Dekolonialisierung fremd in der eigenen Stadt. Sinnbildlich stellt er Straßenschilder auf die Bühne, deren Namen die Kolonialgeschichte repräsentieren und die Performance mit dem ebenfalls gezeigten Film ALIENATION I verbinden, der als eigenständiges Werk entstand. Ebenfalls konstant präsent ist die rote Erde der Region, welche Ssempijja täglich aus seinen Haaren wäscht. Mehliger Staub als einzige Heimat?
Quelle: Schauspiel Leipzig