In Ovids Metamorphosen flüchtet sich Pygmalion ins Zölibat, nachdem die Begegnung mit den sexuell dominanten Propoetiden-Frauen das Ego des stolzen Bildhauers zermürbte. Mit vollkommener Schönheit bei gleichzeitiger Unterwürfigkeit beglückt ihn schließlich die von ihm selbst geschaffene Elfenbeinstatue der Galatea: Seine Wunschfrau, alsbald von der Liebesgöttin Venus mit Leben beseelt. Der aus Brasilien stammende Choreograf Pol Pi erblickt in der Erzählung den Gründermythos aller Fantasien zum Körper der Frau und führt diesen patriarchalischen Blick ad absurdum, indem er sich mit Früchten behängt und in ein Objekt phantasmagorischer Sinnlichkeit verwandelt. Tropische Farbenfreude und Schlagsahne auf nackter Haut spielen mit Bildern von Fruchtbarkeit, Empfängnis und Zeugung während sie auf der Grenze zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit wandeln. Im Spiegel dieser Metamorphosen wird der Körper in ME TOO, GALATÉE zu einem Festplatz bildlicher und gedanklicher Reflexionen, die konventionelle, patriarchalisch geprägte Rollenbilder ins Wanken bringen. Der Titel des Stücks verweist dabei auf die Me-Too-Bewegung und hinterfragt unsere Moral in Bezug auf den Körper als Objekt der Begierde. So treiben Pol Pi und seine bunten Delikatessen ein intrigierendes, feinsinniges Spiel der Projektionen. Und während sich die politische Tragweite dieser vielschichten Metapher gerade in Zeiten erzkonservativer Offensiven nicht verleugnen lässt, schafft Pi Bilder, die poetische und erfrischende Noten zelebrieren.
Quelle: Schauspiel Leipzig